Veröffentlicht in Kleine Hunde ganz groß

Kleine Hunde ganz groß, Teil 13: Canis academicus

Hallo, liebe Hundekumpels und Hundemenschen!

Endlich finde ich Zeit und Muße, mit euch auf dem Niveau zu kommunizieren, das mir entspricht, denn unser Menschenweibchen hat versprochen, den Text vor der Publikation nicht zu lesen.

Heute kann ich mich also outen: Ich für meinen Teil bezeichne mich gerne als erstzunehmende Wissenschaftlerin, und am meisten interessiere ich mich selbstverständlich für die Naturwissenschaften. Warum meine Schwester Lilly sich gerade vor Lachen in annähernd epileptische Anfälle verabschiedet, erschließt sich mir nicht. Zugegeben, nachdem nicht alle Hunde in meiner Umgebung ähnliche akademische Ambitionen hegen wie ich, bin ich leider gezwungen, ab und an auf die Meinung meiner „großen“ Schwester zurückzugreifen, um Resultate zu verifizieren und zu validieren, aber jeder große Wissenschaftler hat ja einen Assistenten, wie hund weiß. Bei den Menschen sind das häufig die dazugehörigen Weibchen, aber bei uns Hunden ist es wirklich schwierig, geeignetes Personal zu finden, denn durch die Einflussnahme des Menschen sind wir in unseren Sozialkontakten doch erheblich eingeschränkt.

Eine Überlegung wert sind daher Transspezieskooperationen. Die Mutter unseres Menschen scheint sich auf die Medizin spezialisiert zu haben. Das Wissen beschränkt sich zwar im Wesentlichen auf die Spezies Mensch. Warum man sich nur auf eine Spezies limitiert, und das noch dazu auf eine derart langweilige wie den Menschen, erschließt sich mir zugegebenermaßen nicht so ganz. Dennoch finde ich es höchst erfreulich, sich bei wechselseitigen Besuchen über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse auszutauschen. Gut, auch dieser Austausch ist eher einseitiger Natur, weil selbst die intelligentesten aller Menschen uns Hunde bekanntermaßen nur begrenzt verstehen können. Aber ich sehe ihr bei der Lektüre von Fachzeitschriften doch ganz gerne über die Schulter und höre ihr dabei zu, wie sie die – teilweise recht lächerlichen – medizinischen Fragen unseres Menschenweibchens beantwortet. Hund muss sein Wissen ja auf allen Gebieten erweitern. Nun möchte ich euch aber eure wertvolle Zeit nicht mit theoretischen Gedankenspielereien stehlen; vielmehr  ist es mir ein Anliegen, euch endlich meine wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu präsentieren.

Eine meiner ersten wissenschaftlichen Entdeckungen, als ich noch nicht lange in Deutschland lebte, war eine gar absonderliche Kreatur. Selbige kroch gerade auf meiner Nasenhöhe die Hauswand entlang. Sie war von länglicher Form und silbergrau mit schwarzen Tupfen, also quasi so etwas wie der Dalmatiner unter den Merkwürdigkeiten. Ich inspizierte das Tier von allen Seiten, um seine Herkunft und seine Lebensweise zu erforschen, doch das einzige Ergebnis war vorläufig, dass es sich – ganz entgegen der sonst üblichen Natur ähnlich gearteter Wesen – noch länger streckte und so dann doch recht imposant wirkte. Unser Mensch unterstellt mir ja bis zum heutigen Tage, ich hätte Angst bekommen. Selbstverständlich ist dies eine üble Verdächtigung, denn ich habe meine Schwester lediglich zur Einholung einer zweiten Meinung hinzugebeten. Es dauerte eine Weile, bis ich sie unter der Hecke im Garten gefunden hatte, doch sie folgte mir in ihrer bekannten neugierig-unbedarften Art zu der seltsamen Kreatur und untersuchte sie ebenfalls. Zwar ist die Nase meiner Schwester deutlich besser als die meine, aber selbst mit diesem Messinstrument ließ sich die Kreatur nicht näher identifizieren. Meine Versuche, unseren Menschen dazu zu bewegen, das Tier einzufangen und weiter identifizieren zu lassen, blieben vergeblich. Es sei einfach eine merkwürdige Nacktschnecke, hieß es. Für einen Wissenschaftshund wie mich ist dies natürlich eine äußerst frustrierende Aussage, aber hier erkennt ihr schon das Grundproblem meiner Existenz.

Eine weitere Episode meiner akademischen Karriere betrifft die Untersuchung von Wasser in unterschiedlichen Formen und an verschiedenen Orten. Hierbei ist es ein Glücksfall, dass wir an einem Fluss wohnen. Nach gründlicher Beobachtung der Vorgänge auf und an diesem Fluss bin ich zu dem Entschluss gelangt, dass diese durchaus Erforschung verdienen. So verbrachte ich etliche recht produktive Stunden an einem kleinen Strand (im Beisein des restlichen Rudels und manchmal der Dackel, welche für meine Experimente natürlich keinerlei Verständnis an den Tag legen). Zu folgenden Erkenntnissen bin ich im Laufe der letzten zwei Jahre gelangt:

  1. Wenn ein Schiff vorbeifährt, verschwindet das Wasser zunächst, um dann als Wellen mit unterschiedlichen Amplituden wiederzukehren. Diese Wellen schmecken allerdings nicht anders als normales Wasser, was ich als etwas enttäuschend empfinde. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts musste ich mich übrigens schon in die höchste Lebensgefahr begeben: Ich klettere hierzu immer auf einen Felsen im Wasser, was für einen Hund, der nicht schwimmen kann, doch beachtlich ist. Aber für die Wissenschaft muss hund eben auch Opfer bringen können.
  2. Auch an anderen Orten gibt es Wasser mit Wellen, aber dort sind die Begleitumstände höchst mysteriös. Die Wellen scheinen in keinerlei Zusammenhang mit Schiffen zu stehen, denn das Wasser kommt und geht permanent in kleineren Intervallen. Aber auch im Rahmen eines Tages nähert sich das Wasser insgesamt für zwölf Stunden dem Land, und für die restlichen zwölf Stunden zieht es sich in sich zurück. Welch interessantes Phänomen! Ich bemühte mich mit meinen wissenschaftlichen Methoden um Erkenntnisse, aber dies gestaltete sich schwierig. Tägliche Geschmacksproben ergaben, dass das Wasser furchtbar salzig schmeckte. Unser Mensch lachte mich jeden Morgen aus und erklärte mir, dass dies das Meer sei und kein Fluss. Das beantwortete meine Fragen selbstverständlich nicht im Geringsten. Ich werde einfach permanent verkannt. Jedoch konnte ich tatsächlich darin schwimmen. Die Methodik, mit der dies erforscht wurde, war zutiefst unwissenschaftlich: Unser Mensch nahm mich einfach mit ins Wasser und ließ mich dann los. Gut, nicht ganz, ein Geschirr hatte ich ja an mit einer Leine, und ich konnte tatsächlich schwimmen, aber unser Mensch hatte danach ein recht interessantes Muster aus Kratzern am ganzen Körper.

Ihr seht, ich bemühe mich um Forschung auf allen Gebieten. Wenn wir im Wald sind, finde ich viele interessante Kreaturen, die wir dann im Rudel gemeinsam inspizieren, wie beispielsweise Frösche oder Weinbergschnecken oder ganze Ameisenhaufen! Mein Steckenpferd ist jedoch die Medizin, und unser Mensch ist wenigstens klug genug, sich diesbezüglich auf mich zu verlassen. Beispielsweise untersuche ich regelmäßig unsere Kaninchen, und so entdeckte ich schon eine Bindehautentzündung bei Bonnie, lange bevor die Menschen sie richtig sehen konnten. Auch als meine Schwester eine Umfangsvermehrung am Brustkorb hatte, wurde sie von mir täglich untersucht, bis sich diese zurückgebildet hatte. Selbstverständlich erkenne ich alle Mückenstiche und Zecken im Rudel und melde diese pflichtbewusst. Was ich jedoch nicht ertrage, ist, wenn unser Mensch nicht sofort reagiert und die Zecken nicht umgehend entfernt werden. Schließlich weiß doch jeder, dass diese Parasiten alle möglichen gefährlichen Krankheiten übertragen können, und da geht es auch auf Zeit! Auch die Gesundheit unseres Menschen habe ich stets im Blick, bzw. vielmehr in der Nase. So kann ich in die Lunge und andere Organe hineinriechen, und dann teile ich meinem Menschen die Untersuchungsergebnisse sofort mit, damit sie den Zusammenhang auch herstellen kann. Meine Schwester möchte meine Arbeit bisweilen mit ihren Clownerien stören, aber meine Konzentration ist unerschütterlich. Schließlich geht es um die Gesundheit des Rudels.

Die Wissenschaft ist eben nicht nur eine Domäne der Menschheit, und wenn ihr, liebe Hundekumpels, ähnliche Talente verspürt, solltet ihr diesen unbedingt nachgehen! Dabei ist es unerheblich, ob ihr nun Rassehunde oder Mischlinge seid. Nur vor einer Forschungsmethode seid gewarnt, vor allem, wenn ihr Labradore oder Jack Russel Terrier seid, aber auch Dackel sind von diesem Risikofaktor betroffen: Man sollte größte Sorgfalt walten lassen und sein Forschungsobjekt nicht essen, denn erstens ist es dann weg, und zweitens könnte es ja auch ungenießbar sein. Also Vorsicht! Ich persönlich werde jetzt meine Forschungen am Aquarium fortsetzen. Die Fische sind anscheinend ein neues, komplexes, sehr vielversprechendes Forschungsgebiet. Möglicherweise werde ich aber erst eine Runde mit unseren ganzen Plüschspielis kuscheln. Mal schauen.

Nuffum academicum an euch alle!

Lunka (und nur sehr begrenzt, da immer noch lachend, Lilly)

Autor:

Lunka und Lilly sind zwei kleine Mischlingshunde aus dem Tierheim Kezmarok am Fuße der Hohen Tatra in der nordöstlichen Slowakei. Sie kamen als einjährige Junghunde im Sommer 2008 nach Deutschland. Ihr Zustand war wie bei vielen Hunden aus dem Ausland nicht gut, obwohl es noch deutlich schlimmere Fälle gibt. Sie waren sehr mager und verängstigt. Gerade deshalb ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die beiden gemacht haben. Aus ihrem „ersten Leben“ weiß man nicht viel. Sie kamen wohl als Welpen noch an die Kette und fristeten so ihr erstes Lebensjahr. Als sie dann mit einem Jahr noch nicht furchteinflößend genug waren, wollte man sie wohl beseitigen. Genaues weiß man nicht, aber nachdem Plastiktüten und raschelnde Folien immer noch ein großes Problem sind, kann man sich wohl seinen Reim darauf machen. Allerdings werden Tüten, die möglicherweise Leckerlis enthalten, mittlerweile eher freudig begrüßt. Große Angst haben sie immer noch vor Männern mit Stöcken bzw. Angeln, vor sehr dominant auftretenden Menschen und Hunden sowie vor kleinen Kindern. Umso beachtlicher ist es, wie mutig sie schon geworden sind. Unseren kleinen Ausflug in die Welt der Schule haben sie sehr genossen; ebenso besuchen wir mittlerweile mit großer Begeisterung jeden zweiten Samstag ein Alten- und Pflegeheim für Demenzkranke. Es ist sehr anrührend zu beobachten, wie sehr sie auf die kranken Menschen eingehen. Interessanterweise lassen sie sich von diesen auch alles gefallen. Selbst wenn jemand etwas gröber ist, verzeihen sie das sofort und gehen auch sofort wieder zu demjenigen hin. Bei gesunden Menschen würden sie das nicht tun. Selbstverständlich gilt hier wie auch in allen anderen Bereichen, die wir uns nach und nach erobern: Sobald die beiden zeigen, dass sie sich unwohl fühlen, wird die möglicherweise stressbesetzte Situation unterbrochen. Auf diese Weise trauen sie sich nun immer mehr zu und so werden sie auch zu einem schönen Beispiel, was aus den ominösen „Tierschutzhunden aus dem Ausland“ alles werden kann. Das Tierheim Kezmarok ist in der sehr armen Region, in der es liegt, zumeist die einzige Chance für viele Hunde und Katzen. Selbstverständlich darf man sich dieses Asyl nicht vorstellen wie eines unserer deutschen Tierheime. Es gibt nicht auf dem ganzen Gelände Strom, und um eine Wasserleitung kämpfen wir seit Jahren. Seit letztem Sommer existiert immerhin ein Auslauf, denn bis dahin fristeten die Hunde den Großteil ihres Lebens im Zwinger. Es gibt keine nennenswerten Innenanlagen, d. h. wenn es im Winter bitterkalt wird (letzten Winter wochenlang um die -20 Grad!), wird das Überleben vor allem für kleinere und kurzhaarige Hunde schwierig. Die Katzen bewegen sich frei im Umland und kommen zum Füttern. Trotz dieser Zustände ist das Tierheim Kezmarok eine Lebensaufgabe für Idealisten, denn im Gegensatz zu den bekannten staatlichen Tierheimen wird dort immerhin kein Tier getötet, und die dortigen Mitarbeiter kümmern sich mit größtmöglicher Liebe und Zuwendung um die Tiere. Im Sommer 2011 wurde das Tierheim vom nahe gelegenen Gebirgsbach überschwemmt und zum großen Teil zerstört. Nur durch die beeindruckende Hilfe der dortigen Bevölkerung und den spontanen Einsatz deutscher Tierschutzvereine und durch viele Spenden aus Deutschland konnte es wieder aufgebaut werden. Die Tierhilfe Hohe Tatra Kezmarok e.V. ist ein sehr junger Verein, der sich der Unterstützung des Tierheims in Kezmarok verschrieben hat. Neben der Vermittlung von Hunden und Katzen ist ein Hauptziel, das Tierheim durch Spenden und tatkräftige Hilfe zu unterstützen. So wurde der Verein zu einer wichtigen Stütze für Tier und Mensch.

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