Veröffentlicht in Kleine Hunde ganz groß

Kleine Hunde ganz groß, Teil 29: Gassi

P1030246Hallo, liebe Hundekumpels und Hundemenschen!

Letztes Mal hat euch meine Schwester Lunka vom Warten erzählt. Und da muss ich ihr ausnahmsweise einmal recht geben: Auf unseren Menschen zu warten ist wirklich doof. Schließlich trage ich dann ganz allein die Verantwortung für unsere ganze Wohnung! Auf meine Schwester ist ja in solchen Fällen leider kein Verlass. Da ist es doch mehr als verständlich, wenn hund etwas gestresst reagiert.

 

Sei’s drum, auch das Warten ist irgendwann vorbei, und danach kommt immer das Gassigehen. Das ist einer meiner Lieblingsteile des Tages, gleich nach dem rituellen Morgenkuscheln. Das ist noch wichtiger und ungleich entspannender, denn Gassi ist ja immer auch ein wenig Arbeit. Wir haben verschiedene Gassivarianten, und ich finde alle gleich spannend. Manchmal gehen wir einfach nur so spazieren, alleine oder mit anderen. Und natürlich machen wir auch Sport. Da läuft unser Mensch dann voraus und wir müssen hinterher, und irgendwann kommen wir dann meistens an die Leine (s. Kapitel „Menschensport“). Mittlerweile haben wir unserem Menschen aber auch beigebracht, dass wir nicht einfach nur durch die Gegend laufen wollen. Es gibt in der Umgebung viele lustige Möglichkeiten, Menschen- und Hundesport zu kombinieren. Z. B. liegen da ein Trainingsgassipaar Felsen in einer Reihe, auf die man nacheinander hüpfen kann, oder wir bringen unseren Futterbeutel (natürlich gegen Keksbezahlung) oder wir werden um Bäume geschickt oder wir laufen einfach alle drei um Bäume herum. Das sieht dann zwar vermutlich richtig dämlich aus, aber es macht einen riesigen Spaß und hebt die Laune im Rudel erheblich. Probiert es doch einfach mal aus!

 

Dann gibt es Trainingsspaziergänge. Da müssen wir öfter mal an die Leine oder wir müssen einfach so mal Platz oder Sitz oder Steh machen, eben mehr als sonst, und auch mehr aus der Entfernung und all solches. Der Vorteil ist, dass in diesen Fällen immer äußerst leckere Kekse oder Käse oder Wienerle dabei sind. Und die dritte Variante ist, wenn unser Futterbeutel dabei ist. Mich interessiert das jetzt nicht so sehr, aber meine Schwester Lunka fährt voll darauf ab, denn immer, wenn wir nicht so genau aufpassen, verliert unser Mensch unseren tollen Beutel und wir müssen ihn dann wieder suchen. Manchmal habe ich fast den Eindruck, unser Mensch macht das mit Absicht. Das Gute ist aber, dass meine Schwester das natürlich mittlerweile gecheckt hat, und unser Mensch daher nur noch sehr selten unbeobachtet ist. Ab da an taugt sie dann doch zum Wachhund. Ich persönlich habe die Theorie, dass genau das die Idee hinter diesem Futterbeutel ist, und meine ach so schlaue Schwester kapiert das irgendwie nicht. Aber lassen wir sie in dem Glauben, denn für gewöhnlich bekomme ich den Beutel auch ein paar Mal geworfen, und das macht dann schon großen Spaß. Sozusagen Unterhaltung mit Essen in einem. Erlebnisgastronomie heißt das, sagt unser Mensch. Natürlich gibt es dann auch noch diverse Trainingseinheiten in unserem Garten, vom Agility übers Apportieren und irgendwelche Tricks und solche lustigen Sachen bis hin zu Gehorsamsübungen, die mir immer etwas schwerfallen, weil ich mich nicht so lange konzentrieren kann. Dafür kann ich das mit dem Apportieren besser. Aber unser Garten zählt ja nicht zum Gassi, also zurück zum Thema.

 

Welche Sorte Gassi wir gerade machen, ist mir eigentlich egal, solange wir nur unterwegs sind und solange es nicht regnet. Bei Regen kann unser Mensch nämlich gerne alleine Gassi gehen, auch wenn wir jetzt so schicke neue Regenmäntel haben. Das sehe ich ja gar nicht ein. Bis dann mein Kopf wieder trocken ist! Und erst die Haare hinter den Ohren! Und mein schickes Schwänzchen! Nein, nein, Regen wollen wir nicht. Aber bei gutem Wetter und netter Gesellschaft (oder auch ohne) gehe ich sehr, sehr gerne Gassi. Und meine Schwester muss auch irgendwie mit, und irgendwann macht es ihr ja auch Spaß. Denn wir haben immer ganz schön viel zu tun! Zunächst sind da die Enten am Fluss. Meistens lässt uns unser Mensch den Spaß, dass wir hinfetzen und die Enten ins Wasser treiben dürfen. Aber nur, wenn sie nicht gerade Entenbabys haben, denn das wär gemein. Aber die erwachsenen Enten ohne Babys watscheln sowieso nur ins Wasser, wenn sie gerade Lust darauf haben. Wenn sie zu faul sind, bleiben sie einfach sitzen, und dann tun wir nur so, als ob wir die Entenfaulpelze mit unserer Attacke gemeint hätten, und laufen einfach nur so vorbei. Die sind nämlich von der Nähe deutlich größer und stärker, als hund meint! Manchmal ist da auch eine Katze in einem Busch, aber da dürfen wir nicht hin, weil Katzen stärker sind als wir und weil hund das einfach nicht darf, sagt unser Mensch, denn die sind nicht so cool wie unsere Enten. Ach, und die Katzen dürfen uns schon ärgern? Wir haben da eine in der Nachbarschaft, die verfolgt uns regelrecht. Ungelogen! Wenn wir über die Straße gehen, tut die das auch. Wenn wir schneller werden, wird die das auch. Und wir dürfen sie nicht verjagen! Wie gemein! Ich kann damit ja leben, aber meine Schwester treibt das jedes Mal gepflegt in den Wahnsinn. Aber nein, die doofe Katze darf das. Die Welt ist ungerecht. Dafür piesel ich ihr dann immer über alle Katzenpipistellen drüber, dann ist sie wieder eine Zeit lang beschäftigt. Weil’s wahr ist.

 

Gassigehen macht Spaß, keine Frage, aber manchmal passieren auch höchst unerfreuliche Dinge. Meistens hat das mit anderen Hunden und ihren Menschen zu tun. Ärgerlich ist vor allem, wenn wir einer Gruppe anderer Menschen oder Radfahrer – die auch gern mal zu schnell angeschossen kommen – ausweichen wollen und wir uns zwischen den ganzen liegengelassenen Hundehaufen am Wegrand irgendwie einen Platz suchen müssen. Das finden wir auch eklig! Uns sind aber auch schon etliche wirklich schlimme Dinge mit großen Hunden passiert, wo wir danach in die Tierklinik mussten, weil es uns so wehgetan hat. Das Dumme dabei ist, wir sind ja in solchen Fällen immer bei unserem Menschen, also können wir gar nirgendwo anders hin. Aber wenn da so ein riesengroßer Hund angeschossen kommt, wird es wirklich schwierig. Mittlerweile haben wir uns für solche Situationen ein ganz gutes System ausgedacht: Wir kommen an die Leine und unser Mensch stellt sich vor uns. Das hilft meistens wirklich gut. Und wir sind immer mächtig beeindruckt, denn es war wirklich schon a und an so, dass unser Mensch von so einem Geschoss selbst fast gebissen wurde. Einmal war das ein riesiger Mischling, wo der andere Mensch gerade noch geschrien hat, dass „der nichts tut“, als er schon auf mich losgegangen war und ich nur noch um mein Leben schreien konnte. Den hat unser Mensch dann am Genick gepackt und dem anderen Menschen in die Hand gedrückt mit dem Kommentar, ob sie auch mal „nichts tun“ sollte. Ha! Das andere Mal war es ein Bernhardiner, wo die Menschen im Haus saßen und zuschauten, wie der uns auf der Straße angegriffen hat. Das war reichlich schlimm, aber erwischt hat der uns glücklicherweise nicht. Klar ist es auch doof, wenn kleine Hunde nicht unter Kontrolle sind. Ich wurde auch schon von einem Rudel aus drei mittelgroßen Hunden so sehr gehetzt, dass ich an der Stelle ganz lange auf gar keinen Fall mehr vorbeigehen wollte. Wir mussten ganz viel mit den Dackeln üben, bis es wieder ging. Und als wir die drei dann das nächste Mal trafen (dummerweise an der gleichen Stelle), hatten wir zufällig unseren großen Bruder Oskar dabei. Da kuckten wir dann mal eben vom Wegrand aus unter seinem Bauch durch und uns konnte keiner mehr was. Zugegeben, Oskar wusste gar nicht, was da eigentlich los war, aber es war schon ein gutes Gefühl mit einem großen Bruder.

 

Diese doofen Erlebnisse sind glücklicherweise eher selten, zumal auch unser Mensch mittlerweile besser darin ist, uns im Zweifelsfall abzuschotten oder solchen Situationen von der Ferne schon aus dem Weg zu gehen. Deswegen mag ich euch jetzt lieber noch erzählen, was ich beim Gassigehen abgesehen vom Pieseln und Schwimmen und vom Raufen mit meiner Schwester und vom Entenfangen spielen am liebsten mache: laufen, und zwar schneller als der Wind. Wenn das Gras auf der Wiese genau richtig hoch ist, wenn es nicht zu heiß und zu kalt ist und wenn ich gute Laune habe, dann laufe ich. Ich laufe und laufe, und es ist mir völlig egal, ob jemand mitläuft, denn es erwischt mich sowieso keiner. Da bin ich schneller als der Wind und meine ganzen Haare sausen um mich rum und die Welt ist auf einmal so klein, dass ich problemlos überall hinlaufen kann. Irgendwann bin ich dann meistens fertig mit laufen und dann schmeiße ich mich ins Gras und alles ist schön. Das ist das richtige Hundegefühl, Freunde, so geht Freiheit. Apropos, jetzt ist Abendgassizeit. Och, unser Mensch greift zur Menschensportleine, wie ärgerlich. Aber es regnet doch! Na gut, wenigstens kommen jetzt noch unsere Regenmäntel. Es hilft ja nichts. Dann ran an den Mäusespeck!

 

Ein gassilauniges Nuff an euch alle!

 

Lilly und Lunka

 

 

Autor:

Lunka und Lilly sind zwei kleine Mischlingshunde aus dem Tierheim Kezmarok am Fuße der Hohen Tatra in der nordöstlichen Slowakei. Sie kamen als einjährige Junghunde im Sommer 2008 nach Deutschland. Ihr Zustand war wie bei vielen Hunden aus dem Ausland nicht gut, obwohl es noch deutlich schlimmere Fälle gibt. Sie waren sehr mager und verängstigt. Gerade deshalb ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die beiden gemacht haben. Aus ihrem „ersten Leben“ weiß man nicht viel. Sie kamen wohl als Welpen noch an die Kette und fristeten so ihr erstes Lebensjahr. Als sie dann mit einem Jahr noch nicht furchteinflößend genug waren, wollte man sie wohl beseitigen. Genaues weiß man nicht, aber nachdem Plastiktüten und raschelnde Folien immer noch ein großes Problem sind, kann man sich wohl seinen Reim darauf machen. Allerdings werden Tüten, die möglicherweise Leckerlis enthalten, mittlerweile eher freudig begrüßt. Große Angst haben sie immer noch vor Männern mit Stöcken bzw. Angeln, vor sehr dominant auftretenden Menschen und Hunden sowie vor kleinen Kindern. Umso beachtlicher ist es, wie mutig sie schon geworden sind. Unseren kleinen Ausflug in die Welt der Schule haben sie sehr genossen; ebenso besuchen wir mittlerweile mit großer Begeisterung jeden zweiten Samstag ein Alten- und Pflegeheim für Demenzkranke. Es ist sehr anrührend zu beobachten, wie sehr sie auf die kranken Menschen eingehen. Interessanterweise lassen sie sich von diesen auch alles gefallen. Selbst wenn jemand etwas gröber ist, verzeihen sie das sofort und gehen auch sofort wieder zu demjenigen hin. Bei gesunden Menschen würden sie das nicht tun. Selbstverständlich gilt hier wie auch in allen anderen Bereichen, die wir uns nach und nach erobern: Sobald die beiden zeigen, dass sie sich unwohl fühlen, wird die möglicherweise stressbesetzte Situation unterbrochen. Auf diese Weise trauen sie sich nun immer mehr zu und so werden sie auch zu einem schönen Beispiel, was aus den ominösen „Tierschutzhunden aus dem Ausland“ alles werden kann. Das Tierheim Kezmarok ist in der sehr armen Region, in der es liegt, zumeist die einzige Chance für viele Hunde und Katzen. Selbstverständlich darf man sich dieses Asyl nicht vorstellen wie eines unserer deutschen Tierheime. Es gibt nicht auf dem ganzen Gelände Strom, und um eine Wasserleitung kämpfen wir seit Jahren. Seit letztem Sommer existiert immerhin ein Auslauf, denn bis dahin fristeten die Hunde den Großteil ihres Lebens im Zwinger. Es gibt keine nennenswerten Innenanlagen, d. h. wenn es im Winter bitterkalt wird (letzten Winter wochenlang um die -20 Grad!), wird das Überleben vor allem für kleinere und kurzhaarige Hunde schwierig. Die Katzen bewegen sich frei im Umland und kommen zum Füttern. Trotz dieser Zustände ist das Tierheim Kezmarok eine Lebensaufgabe für Idealisten, denn im Gegensatz zu den bekannten staatlichen Tierheimen wird dort immerhin kein Tier getötet, und die dortigen Mitarbeiter kümmern sich mit größtmöglicher Liebe und Zuwendung um die Tiere. Im Sommer 2011 wurde das Tierheim vom nahe gelegenen Gebirgsbach überschwemmt und zum großen Teil zerstört. Nur durch die beeindruckende Hilfe der dortigen Bevölkerung und den spontanen Einsatz deutscher Tierschutzvereine und durch viele Spenden aus Deutschland konnte es wieder aufgebaut werden. Die Tierhilfe Hohe Tatra Kezmarok e.V. ist ein sehr junger Verein, der sich der Unterstützung des Tierheims in Kezmarok verschrieben hat. Neben der Vermittlung von Hunden und Katzen ist ein Hauptziel, das Tierheim durch Spenden und tatkräftige Hilfe zu unterstützen. So wurde der Verein zu einer wichtigen Stütze für Tier und Mensch.

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