Veröffentlicht in Kleine Hunde ganz groß

Kleine Hunde ganz groß, Teil 26: Grenzgänger

Lilly und LunkaHallo, liebe Hundekumpels und Hundemenschen! Ihr kennt das bestimmt alle: Ihr tut nur zuverlässig und nach bestem Wissen und Gewissen euren Job und kriegt dafür permanent Ärger mit eurem Menschen. Davon können wir alle ein Lied jaulen… Und deswegen habe ich mir heute mal den Laptop gekrallt, damit hier mal wieder ernsthaft diskutiert wird über die wirklich wichtigen Dinge, denn Menschen sind doch echt undankbar. Die glauben immer, sie hätten alles im Griff und wüssten, wie die Dinge funktionieren. Gut, zugegeben, bei manchen Sachen mag das so sein, aber die wirklich wichtigen Dinge muss hund immer selbst regeln. Meine Schwester Lunka hat da ein unerschütterliches Menschenvertrauen und hält mir immer Vorträge über Regeln und Grenzen und so Zeug. Jaja, ist klar. Ich falte meine Ohren mittlerweile komplett dicht, wenn sie wieder damit ankommt. So eine Nervensäge.

Stellt euch nur mal folgende Situation vor: Ihr führt euren Menschen in der Dämmerung spazieren und tut, was hund eben so tun muss, und auf der anderen Straßenseite steht ein wirklich unheimlich aussehender und echt verdächtig riechender Menschenmann, möglichst mit Mantel und Mütze und mit einer riesengroßen Plastiktüte in der Hand, in der ein mittelgroßer Labrador Platz hätte. Und euer Mensch watschelt einfach so vorbei und ist wieder „in Gedanken“. Das heißt konkret, ihr seid auf euch allein gestellt und müsst selbst entscheiden, wie ihr aus dieser Situation heil herauskommt. Was soll hund da tun? Meine Entscheidung ist klar: Ich warne unseren Menschen, und wenn die wieder einmal so „in Gedanken“ ist, dass sie nichts gegen die Gefahr macht, habe ich keine andere Wahl und muss für unser Rudel einstehen. Also belle ich diesen potenziellen Verbrecher erst einmal tüchtig quer über die Straße an, damit der weiß, dass er bei uns erst gar nicht auf dumme Ideen zu kommen braucht. Logisch, oder? Und ihr könnt mir glauben, nach jahrelanger Übung kann ich bellen wie ein Rottweiler, was natürlich viel mehr Eindruck macht als so ein Schoßhundkläffen. Ihr würdet das sicher alle genauso machen. Und jetzt ratet mal, was unser Mensch dann tut… Richtig. Sie erschrickt erst einmal zu Tode, weil sie ja „in Gedanken“ war, und dann kriege ich Ärger, weil hund das nicht tut und weil der nette Mann uns doch gar nichts Böses wollte. Na toll. Dabei habe ich nur auf uns aufgepasst, weil auf meine Schwester erfahrungsgemäß auch kein Verlass ist. Die hilft mir nur manchmal und kläfft etwas mit, aber sie übertreibt es dabei immer so sehr, dass es wieder unglaubwürdig wirkt und die Gefahrenquelle uns auslacht. Nochmal na toll.

 

Vor einem Jahr war unser Mensch ein paar Wochen ziemlich krank, also konnte sie gar nicht auf uns aufpassen. Das war vielleicht doof. An einem Morgen kam sogar ein fremder Mann in unsere Wohnung, und der war echt riesig. Er machte sich an unserem Menschen zu schaffen, was mir natürlich überhaupt nicht gefiel. Meine Schwester Lunka hat mir wieder Vorträge gehalten, dass das ein Arzt sei und dass er unseren Menschen wieder gesund machen würde und so weiter. Ich habe es wirklich satt, dass sie manchmal mit mir redet, als sei ich ein unterbelichteter Welpe. Mir kam die Situation nicht ganz sicher vor, also blieb ich die ganze Zeit unter dem Bett und knurrte den Arzt an, damit er ja nichts Falsches tat. Nur für den Fall. Unser Mensch hat sich bemüht, mich auf mein eigenes Bettchen zu schicken, aber sie war eben sehr krank und dann wäre ich viel zu weit weg gewesen im Notfall. Irgendwann ging dieser Arzt dann auch wieder und unser Mensch wurde auch wieder gesund, aber es hätte ja auch ganz anders ausgehen können.

 

Seitdem bin ich auf alle Fälle doppelt auf der Hut. Beispiel Gartenzaun: Wir haben wirklich sehr nette Nachbarn, die immer alle möglichen Tiere füttern und so. Die ganzen Vögel in der Nachbarschaft sind schon so fett, dass sie eigentlich gar nicht mehr fliegen können, möchte hund meinen. Glücklicherweise geht es den Katzen ähnlich, sodass sie die Spatzenknödel und Meisenkugeln nicht erwischen. Also, wirklich freundliche Leute. Aber trotzdem, wenn sie auf einmal am Gartenzaun erscheinen, fühle ich mich schon verpflichtet, ihnen klarzumachen, dass sie doch bitte auf ihrer Seite bleiben sollen, und dann würde auch niemandem etwas passieren. Und das tun sie dann auch. Gut, der Zaun ist auch recht hoch.

 

Einen Streitpunkt habe ich aber mit meinem Menschen immer noch: die Hofeinfahrt. Bei uns ist das so, dass vom Bürgersteig aus eine schmale Hofeinfahrt in den Hof geht. Klar, Lilly und Lunkadass das unsere Reviergrenze ist, oder? Und die gehört nun einmal gehegt und gepflegt. Einmal hat Mops Finn gemeint, er müsse bei uns vorbeischauen und diese Grenze übertreten. Sein Mensch war, wie so oft, nur am Horizont zu sehen. Also mussten meine Schwester und ich das regeln. Es heißt ja, Möpse können ihren Kringelschwanz nicht so richtig zwischen die Beine klemmen. Wir haben hiermit das Gegenteil bewiesen. Mops Finn war schwer beeindruckt und begegnet uns nun grundsätzlich mit sehr viel mehr Respekt als früher. Selbstredend betritt er unser Revier nur noch auf ausdrückliche Erlaubnis. Unserem Menschen war das natürlich wieder peinlich, aber was hätte ich denn tun sollen? Irgendjemand musste doch für klare Verhältnisse sorgen.

 

Diese magische Grenze ist aber auch zwischen unserem Menschen und mir heiß umkämpft. Gut, dass wir im Hof brav warten müssen, während unser Mensch draußen vor dem Gassi die Lage abcheckt, können wir noch tolerieren. Es fällt mir zwar recht schwer, wirklich sitzen zu bleiben, im Gegensatz zu meiner Schwester, die selbstverständlich perfekt dasitzt. Aber meistens ertrage ich diese Unannehmlichkeit, zumal wir erst raus dürfen, wenn wir beide brav gesessen sind. Aber der Heimweg ist da schon etwas komplizierter. Da unserem Menschen ja nicht immer hundertprozentig zuzutrauen ist, dass sie unser Zuhause auch angemessen verteidigt (s. Mops Finn), fällt diese Aufgabe wieder mir zu. Mit meiner Schwester ist da ganz und gar nicht zu rechnen, denn die schnurrt die letzten hundert Meter immer nach Hause, als hätte sie einen kleinen Motor eingebaut. Die schaut nicht rechts und nicht links, die hat nur noch das Essen im Kopf, das es dann gibt. Also ist es wieder das Gleiche: Lilly muss sich kümmern. Ganz allein. Komischerweise hat unser Mensch sich auch überlegt, sie will sich kümmern (Vielleicht hat sie da wieder irgendwo was gelesen…), und so kämpfen wir immer darum, wer als letztes die Grenze überschreitet, denn die Letzte hat ja das Sagen. Jetzt bin ich natürlich nicht dämlich, also beginne ich so drei Häuser vor unserem, mich unauffällig zurückfallen zu lassen. Das ist unserem Menschen aber leider aufgefallen, sodass sie mich nun immer vorausschickt. Der Plan ging also nicht ganz auf. Aber eine Chance habe ich noch: Wenn wir quasi schon fast zuhause sind, verschwindet unser Mensch oft wieder „in Gedanken“ und überlegt, was sie nun als Nächstes machen muss. Das verstehe ich echt nicht, denn die Gegenwart ist doch das, was zählt. Aber für mich ist das natürlich die Chance: Hier ein wenig schnuppern, dort noch ein wenig pieseln, und schon bin ich die Letzte! Und unser Mensch ärgert sich wieder wie Bolle. Das amüsiert mich natürlich köstlich. Doch unser Mensch hat natürlich auch dagegen wieder ein Mittel: Wenn ich zu sehr trödle, dann werde ich einfach geschnappt und ein paar Meter unter dem Arm getragen. Das finde ich überhaupt gar nicht lustig! Ich bin doch kein Chihuahua! Dann schmolle ich meistens und gehe nach Hause. Und unser Mensch ist wieder die Letzte an der Grenze. Gemeinheit! Und so geht das jeden Tag. Allerdings zeichnet es sich in letzter Zeit ab, dass wir den letzten Schritt einfach gemeinsam machen. Also gut, darauf könnte ich mich einigen.

 

Ihr seht also, liebe Hundekumpels, die Sache mit der Menschenerziehung dauert echt ein ganzes Menschenleben, und hund darf natürlich auch die Verantwortung für das Rudel nie vernachlässigen! Passt nur weiter auf und nehmt das gelegentliche Geschimpfe würdevoll hin. Eigentlich sind euch eure Menschen doch dankbar für eure Arbeit, sie trauen sich nur nicht, das zuzugeben. Ich schau jetzt mal aus dem Fenster, ob da der lästige Terrier ist, der uns immer an die Grenze pieselt. Ich hör ihn schon von der Ferne. Dem werde ich heimleuchten!

 

Ein wachsames Nuff an euch alle!

 

Lilly und Lunka

 

Autor:

Lunka und Lilly sind zwei kleine Mischlingshunde aus dem Tierheim Kezmarok am Fuße der Hohen Tatra in der nordöstlichen Slowakei. Sie kamen als einjährige Junghunde im Sommer 2008 nach Deutschland. Ihr Zustand war wie bei vielen Hunden aus dem Ausland nicht gut, obwohl es noch deutlich schlimmere Fälle gibt. Sie waren sehr mager und verängstigt. Gerade deshalb ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die beiden gemacht haben. Aus ihrem „ersten Leben“ weiß man nicht viel. Sie kamen wohl als Welpen noch an die Kette und fristeten so ihr erstes Lebensjahr. Als sie dann mit einem Jahr noch nicht furchteinflößend genug waren, wollte man sie wohl beseitigen. Genaues weiß man nicht, aber nachdem Plastiktüten und raschelnde Folien immer noch ein großes Problem sind, kann man sich wohl seinen Reim darauf machen. Allerdings werden Tüten, die möglicherweise Leckerlis enthalten, mittlerweile eher freudig begrüßt. Große Angst haben sie immer noch vor Männern mit Stöcken bzw. Angeln, vor sehr dominant auftretenden Menschen und Hunden sowie vor kleinen Kindern. Umso beachtlicher ist es, wie mutig sie schon geworden sind. Unseren kleinen Ausflug in die Welt der Schule haben sie sehr genossen; ebenso besuchen wir mittlerweile mit großer Begeisterung jeden zweiten Samstag ein Alten- und Pflegeheim für Demenzkranke. Es ist sehr anrührend zu beobachten, wie sehr sie auf die kranken Menschen eingehen. Interessanterweise lassen sie sich von diesen auch alles gefallen. Selbst wenn jemand etwas gröber ist, verzeihen sie das sofort und gehen auch sofort wieder zu demjenigen hin. Bei gesunden Menschen würden sie das nicht tun. Selbstverständlich gilt hier wie auch in allen anderen Bereichen, die wir uns nach und nach erobern: Sobald die beiden zeigen, dass sie sich unwohl fühlen, wird die möglicherweise stressbesetzte Situation unterbrochen. Auf diese Weise trauen sie sich nun immer mehr zu und so werden sie auch zu einem schönen Beispiel, was aus den ominösen „Tierschutzhunden aus dem Ausland“ alles werden kann. Das Tierheim Kezmarok ist in der sehr armen Region, in der es liegt, zumeist die einzige Chance für viele Hunde und Katzen. Selbstverständlich darf man sich dieses Asyl nicht vorstellen wie eines unserer deutschen Tierheime. Es gibt nicht auf dem ganzen Gelände Strom, und um eine Wasserleitung kämpfen wir seit Jahren. Seit letztem Sommer existiert immerhin ein Auslauf, denn bis dahin fristeten die Hunde den Großteil ihres Lebens im Zwinger. Es gibt keine nennenswerten Innenanlagen, d. h. wenn es im Winter bitterkalt wird (letzten Winter wochenlang um die -20 Grad!), wird das Überleben vor allem für kleinere und kurzhaarige Hunde schwierig. Die Katzen bewegen sich frei im Umland und kommen zum Füttern. Trotz dieser Zustände ist das Tierheim Kezmarok eine Lebensaufgabe für Idealisten, denn im Gegensatz zu den bekannten staatlichen Tierheimen wird dort immerhin kein Tier getötet, und die dortigen Mitarbeiter kümmern sich mit größtmöglicher Liebe und Zuwendung um die Tiere. Im Sommer 2011 wurde das Tierheim vom nahe gelegenen Gebirgsbach überschwemmt und zum großen Teil zerstört. Nur durch die beeindruckende Hilfe der dortigen Bevölkerung und den spontanen Einsatz deutscher Tierschutzvereine und durch viele Spenden aus Deutschland konnte es wieder aufgebaut werden. Die Tierhilfe Hohe Tatra Kezmarok e.V. ist ein sehr junger Verein, der sich der Unterstützung des Tierheims in Kezmarok verschrieben hat. Neben der Vermittlung von Hunden und Katzen ist ein Hauptziel, das Tierheim durch Spenden und tatkräftige Hilfe zu unterstützen. So wurde der Verein zu einer wichtigen Stütze für Tier und Mensch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert